Über die Sprache eines Volkes lässt sich viel über das Denken und Erleben der Menschen erfahren. Für uns ist vor allem interessant, wie die Menschen vor 5000 Jahren das Träumen erlebt und diese Erfahrung in Sprache gefasst haben. In den Schriften und in der Sprache finden wir Hinweise zum damaligen Traumverständnis.
Das Wort für Traum bzw. auch Vision wurde im alten Ägypten zur Zeit der Pharaonen Rswt (Resut) geschrieben. In der Abbildung können Sie die hieroglyphische Schreibweise des Wortes Traum lesen. Der Mund ganz oben links steht für das Konsonantenzeichen “r”, darunter sehen Sie einen Türriegel, der den Konsonanten “s” bezeichnet. Rechts daneben, die zusammengebundene Zeugstreifen, ein Zweikonsonantenzeichen “rs”, das die beiden ersten Zeichen zusammenfasst. Der Kringel lässt sich als “w” lesen. Darunter bildet ein Brotlaib das “t”. Wie das Wort tatsächlich ausgesprochen wurde ist leider nicht bekannt.
Das Derterminativ (stummes Deutzeichen), das am Ende des Wortes steht, gibt uns einen Hinweis darauf, in welche Begriffsklasse das Wort Traum gehörte. Überraschenderweise ist es kein geschlossenes, sondern ein offenes Auge. Ein offenes Auge kennzeichnete aber all jene Worte , die mit dem Sehen verknüpft waren. Und somit wundert es uns nicht, dass das Wort “rswt” zur Wortfamilie “Wachsein” gehört. Einige Experten übersetzen das Wort auch als “das Wachen im Schlaf“. Für die alten Ägypter war das Träumen offensichlich eine Form des “Erkennens”. Aber was genau galt es zu erkennen?
Im Mythos ist der Träumer mit der Sonne vergleichbar. So wie die Sonne am Abend im Westen im Horizont versinkt bzw. in die Totenwelt eingeht, so taucht der Träumer tief in das Mysterium des Jenseits und der Verstorbenen ein. Dort könnte er schließlich auch mit den Toten und den Göttern kommunizieren, wenn sie ihm denn im Traum begegnen. Im Totenbrief des Merirtjfj an seine verstorbene Frau können wir lesen, dass er seine Frau darum bittet, ihm im Traum zu erscheinen, damit er sieht, wie sie für ihn kämpft und sich für ihn einsetzt, wofür er ihr Opfer bereitzustellen verspricht.
Quellen:
Kasia Szpakowska: Throw the looking glass, dreams in ancient egypt. In Dreams: A Reader on Religious, Cultural and Psychological Dimensions of Dreaming von Kelly Bulkeley
Heidi Köpp: Träume und Traumdeutungen im pharaonischen Ägypten
Categories: Traumblog
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